Miran Hladnik

Zum Konzept der Nation im slovenischen historischen Nachkriegsroman

Ungefähr ein Fünftel des Korpus des slovenischen historischen Romans[1] nach dem zweiten Weltkrieg ist sichtlich von der Nationalthematik geprägt. Der vorliegende Beitrag möchte die verschiedenen Konzepte der Nation nachverfolgen, die anhand des Verhältnisses Eigene-Fremde, der Thematisierung linguistischer Fragestellungen und der entworfenen politischen Perspektiven der Nation aufgezeigt werden können, die sich am Schnittpunkt der Interessen dominanter religiöser, politischer und kultureller Zentren südlich, nördlich, östlich und westlich vom nationalen Raum formierten.

Der historische Roman, nicht nur der slovenische historische Roman, wird zunächst von einer Handlung bestimmt, die vor der Lebenserfahrung des Autors stattgefunden hat, und von einem Bewusstsein, dass die historische Zeit etwas anderes ist als die Gegenwart. Der historische Roman berücksichtigt historische Fakten, arbeitet mit populären Erzähltechniken und ist in Hinblick auf den geschichtlichen Stoff genau klassifizierbar. Seine Botschaft ist von nationaler Relevanz: Der historische Roman ist im 19. Jahrhundert gerade deswegen entstanden, damit sich die Nation konstituieren konnte; in Bezug zu anderen Nationen diente er der Emanzipation. Gewöhnlich thematisiert der historische Roman Ereignisse aus der nationalen Geschichte und spielt sich im Heimatraum ab. Man könnte annehmen, dass nach der Realisierung fundamentaler nationaler Interessen die nationale Idee für das historische narrative Genre nicht mehr ausschlaggebend ist. [2]

Der historische Roman unterstütze die Konstituierung der Nation dadurch, dass er vor Feinden der Nation gewarnt hat. Mit fiktiven Geschichten hat er diesen gegenüber eine angemessene Haltung modelliert. Die Warnung galt das ganze 19. Jahrhundert über und weit in das 20. Jahrhundert hinein den politisch und kulturell dominanten Deutschen als größter Feind der Slovenen. In den letzten Jahrzehnten haben dann die Jugoslaven die Rolle des Nationalfeindes übernommen. Und jetzt ist Europa als aktuelles politisches Zentrum an der Reihe, die undankbare Feindesrolle zu spielen. Es ist interessant, dass keines der politischen Umbruchsjahre eine Zäsur in der Entwicklungsgeschichte des Genres verursacht hat. Der erste geschichtliche Bruch findet Ende des ersten Weltkrieges statt, als sich die Slovenen anstelle von Österreich-Ungarn Jugoslavien als neuen staatlichen Rahmen gewählt haben, der zweite große Wandel war der revolutionäre Machtwechsel nach dem zweiten Weltkrieg und der dritte Umschwung folgte der Errichtung des unabhängigen Staates im Jahre 1991. Der historische Roman hat die geschichtlichen Neuregelungen teilweise konzipiert, öfter aber hat er die Funktion des Bewahrers des historischen Gedächtnisses übernommen. Das ist der Grund, warum der historische Roman lange nach 1918, als die deutsche Dominanz keine echte Gefahr mehr für die Slovenen war, die Deutschen noch immer als Feinde modelliert hat. Und nach 1945, als die Kommunisten die Macht bereits übernommen hatten, pflegte er noch lange Erzählungen über soziale Ausbeutung in den vergangenen Jahrhunderten. Erst nach 1991, als Slovenien aus dem jugoslavischen Rahmen herausgetreten war, entstehen Romane, die nunmehr die schon vergangene Gefahr hervorheben, im Südslaventum die nationale Identität zu verlieren.

In den 1950er und 1960er Jahren ist das Konzept der Nation im historischen Roman im Wesentlichen von drei Merkmalen geprägt: 1. traditionell im Sinne einer Abwehr des Fremden zugunsten des Eigenen: z. B. Oskar Hudales "Med dvema svetovoma" (1962, Zwischen zwei Welten), 2. durch die Thematisierung von Fragen der Nationalsprache: z. B. Alojz Rebula "Devinski sholar" (1954, Der Sholar von Duino) und 3. durch die Reflexion alternativer politischer Möglichkeiten für die Slovenen, ob etwa Rom oder Aquileia angemessenere Herren wären als Wien: z. B. Mimi Malenšek "Inkvizitor" (1964, Der Inquisitor). Der historische Roman erlaubt sich durchaus Toleranz gegenüber dem Fremden: z. B. Anton Ingolič "Ugasla dolina" (1956, Das erloschene Tal) und verzichtet sogar, im Namen des proletarischen Internationalismus, auf das eigene Nationale: z. B. Milena Mohorič "Hiša umirajočih" (1975, Das Haus der Sterbenden). Mitte der 1970er Jahre, als das Genre seinen quantitativen Höhepunkt erreichte, kann ein Rückgang der Nationalproblematik belegt werden, in den 1980er Jahren steigt diese dann wieder, was als Antizipation der grossen politischen Wandlungen verstanden werden könnte.

Der slovenische historische Roman wählt normalerweise einen Helden, der weit unten auf der gesellschaftlichen Stufenleiter steht und im Roman seine persönliche Wahl unter den alternativen Herrschaftszentren zum Ausdruck bringt; er fungiert also als Personifizierung slovenischer historischer und aktuell-politischer Dilemmata. Schauen wir uns jetzt am Beispiel von vier bekannteren Nachkriegsautoren geschriebener historischer Romane an, wie diese Konzepte des Nationalen realisieren. Die Autoren heissen Alojz Rebula, Dimitrij Rupel, Vladimir Kavčič und Igor Škamperle.

Der philosophische Roman "V Sibilinem vetru" (1968, Im Sibyllenwind) von Alojz Rebula, geboren 1924, findet in der Zeit von Kaiser Mark Aurelius und der römischen Kriegen gegen die Quaden, Parther und Sarmaten statt. Die Geschichte wird von dem alten Nemesian erzählt. Als Kind war dieser in römische Sklaverei geraten, als sein Stamm der Jazygen gegen die Römer Widerstand leistete. Dank seiner Intelligenz schickt ihn sein Herr, der Tribun Quintus Furius Apuleius, nach Griechenland, wo er ein erfolgreicher Schüler wird. Apuleius adoptiert ihn und hinterlässt ihm einen grossen Teil seines Erbes. Nemesian verzichtet auf das Erbe, flüchtet vor Apuleius’ Witwe und tritt in die römische Legion IV. Fidelis ein. Er widersetzt sich dem Imperium und wird mit Sklaverei in einem Bergwerk auf dem Sinai bestraft. Er flüchtet wieder, überlebt wundersam und kehrt in die Armee zurück. Er wird verantwortlich für das Ordnen der Notizen des Feldherren und Kaisers Marcus Aurelius. Im Alter lässt er sich dann gemeinsam mit seiner Frau Elektra nahe seines Geburtsortes nieder, nämlich bei Duino, an der heutigen westlichen Grenze Sloveniens.

Nemesian folgt ursprünglichen christlichen Lebensprinzipien (er bemüht sich gut und gerecht zu sein, das Eigentum und die Ehre interessieren ihn nicht), doch er akzeptiert die christliche Sakramente nicht, obwohl er mit seinem christlichen Benehmen und mit der Bewunderung christlicher Tugenden (d. h. das Gefühl für Ordnung, Organisation, Familie, Eifer, Altruismus) am meisten Werbung für das Christentum macht. Der umfangreiche Roman beschreibt zahlreiche Lebensschicksale, und zwar mit typisch Rebula-artigen sinnlich ekstatischen Darstellungen von Naturschönheiten und privaten Alltäglichkeiten, die er als positiven Gegensatz zum allgemeinen Begriff der Geschichte versteht:

Čutila sva: če je bilo kaj zgodovina, potem je bilo to, da so s stropa dišala zelišča in da je zajec cvrčal na ognju in da je velika materna peč pekla kruh za človeka – samo to je mogel biti edini smiselni tok skozi čas, ta pohod ponižnih in nedolžnih, svetih reči, v katerih ni bilo zavratnosti. (Rebula 1968, 220)

Wir fühlten: wenn etwas überhaupt Geschichte war, dann war die Geschichte das, dass unter dem Dach die Kräuter dufteten und dass der Hase auf der Flamme brutzelte und dass der grosse mütterliche Ofen das Brot für den Menschen gebacken hat – nur das konnte der einzige sinnvolle Fluss durch die Zeit sein, diese Wanderung der Demütigen und Unschuldigen, der heiligen Sachen, in denen keine Bösartigkeit war.

Ein solcher Rücktritt in die Privatsphäre ist im slovenischen historischen Roman keine Seltenheit.

Der antike Roman unterscheidet sich als Genre von anderen Typen des slovenischen historischen Romans darin, dass die Akteure nicht Slovenen sind und dass die Handlung oft ganz oder teilweise ausserhalb des Landes zu lokalisieren ist. Einerseits war das heidnische und herrschaftliche Rom für slovenische Schriftsteller ein Symbol des Bösen und des Vergangenen (die Schriftsteller sympathisieren mit den Altsiedlern, die den Römern untertan waren), anderseits konnten sie nicht verschweigen, dass die Übernahme der römischen Herrschaft und Kultur auch Voraussetzung für das Überleben war und auf metaphorischer Ebene als Grundlage für die heutige nationale Kulturidentität betrachtet werden kann. Oder mit Rebulas Worten: "Kolikor smo Slovenci kulturen narod, je grško-rimska antika tudi naša." (Rebula 1968, 274, Wenn wir Slowenen ein kultiviertes Volk sind, dann gehört die griechisch-römische Antike auch zu uns.)

Vladimir Kavčič, geboren 1932, hat das slovenische historische Schicksal in zwei Romanen verarbeitet: Zunächst in einem Roman, der Anfang des 18. Jahrhunderts angesiedelt ist, und zwar in "Pustota" (1976, Die Einöde) und zwanzig Jahre später in der Fortsetzung unter dem Titel "Somrak" (1996, Die Dämmerung). Der Roman verfolgt den Weg einer ausgestossenen rebellischen Familie aus Tolmin in die Berge, das Niemandsland, das sie kolonisieren. Die ums Überleben kämpfenden Familienmitglieder sterben, nur Jakob überlebt die harten Lebensbedingungen und kehrt in die Zivilisation zurück, um seinen reichen Onkel Orzonar, den Kanonikus der Cividale zu finden. Nach vielen abenteuerlichen Erlebnissen erreicht er das Schloss des Onkels, die Villa Alta in Friuli, und übernimmt dessen Verwaltung. Als Orzonar von seinen Räuberkomplizen getötet wird, erbt Jakob auch die Häuptlingsrolle der geheimen Gaunerbande und führt sie in sein Geburtsland.

Beide Romantiteln von Kavčič signaliseren dem Leser ein Verständnis von Geschichte in ihrer trüben und unfreundlichen Gestalt. 150 Jahre zuvor hat France Prešeren eine so ähnliche Geschichtsvorstellung mit den Worten "Viharjev jeznih mrzle domačije" (8. Sonnet im Sonetni venec, "Poezije" 1846, das kalte Hofgut der zornige Stürme) ausgedrückt. Die Dämmerung ist das Symbol des Niedergangs, der nostalgischen Schönheit des Untergangs. Kavčič prüft mit seinen Romanen zwei Modelle des Überlebens: Im ersten das traditionelle sture slovenische Beharren in der Zurückgezogenheit und in der obsessiven Selbständigkeit. Als dieses Modell in Pustota scheitert, schlägt er in Somrak ein Modell der geschickten Anpassung der gesellschaftlichen Verhältnissen vor, etwa in dem Sinne von Vladimir Bartols Roman "Alamut" (1938), wo die Ehrlichkeit nichts wert ist, solange sie von Lammfrommen gepflegt wird. Im Interesse des Überlebens des Slovenentums am westlichen Rand der Nation ist er bereit, sogar den Pakt mit dem Bösen (mit Räubern und Verbrechern) zu schließen: der prinzipielle Kampf der bäuerlichen Rebellen und das Insistieren ihrer Nachkommen im ihrem Exil in der Wildnis bringt nichts und lohnt sich für das Volk nicht.

Die Geschichte des 19. Jahrhunderts hat Dimitrij Rupel, geboren 1946, im Roman "Maks" (1982, Max) verarbeitet. Der Roman erwächst aus dem Wortspiel mit den Namen des Kaisers Max (Maximillian Ferdinand, 1832–1867), des Philosophen Karl Marx (1818–1883) und des Kriegsgottes Mars. Die Geschichte: Der Historiker Baldad, Professor an der Volksuniversität in Ljubljana, recherchiert über das Leben des habsburgischen Erzherzogs und mexikanischen Möchtegern-Kaiser Maximillian, der als Christus des 19. Jahrhunderts in die Geschichte eingegangen ist. Maximillian wurde von dem Rebellen Benito Juarez getötet und seine Armee, in der auch slovenischen Soldaten dienten, zerschlagen. Der eifrige Baldad ist von seinem historischen Gegenstand besessen, er nimmt sein Studium viel zu ernst und wurde infolgedessen zum Objekt politischer Überwachung. Auf merkwürdige Weise stirbt er unter den Rädern eines Autos mit Wiener Kennzeichen, in dem seine verlobte Sara sitzt, eine Nachfahrin von Maximillians Privatartzt. Sein Tod fällt sowohl mit dem Begräbnis Titos zusammen als auch mit der Beschreibung des Begräbnisses von Maximillian. Wo kann nun die nationale Idee aus der Geschichte extrahiert werden? Maximillian und seine Frau Charlotte unterstützen im 19. Jahrhundert das Wachstum des slovenischen Nationalbewusstseins. Nach ihrem Tod müssen die frühen slovenischen Nationalisten in die Emigration. Die aktuelle politische Mitteilung des Romans ist evident: genauso wie vor mehr als 100 Jahren sind noch heute die Bedingungen für die Realisierung slovenischer nationaler Ziele, insbesondere für den Übergang von Jugoslavien bzw. dem Balkan zurück zu Westeuropa, noch nicht reif.

Die Komplexität des Buches bietet zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten und bleibt enigmatisch. Es wechseln sich Kapitel, die in dritter Person über Baldads Lebenweg berichten, mit Kapiteln ab, in denen Baldads Klassenkamerad Elija, der jetzt Polizeibeamte ist, über Baldad berichtet. In der Bibel ist Baldad (Bildad) einer der drei Freunde Hiobs, die sich erfolglos bemühen, Hiob zu überzeugen, dass das Leiden sinnvoll ist. Der weise Elihu (der mit dem Polizisten Elija zu vergleichen ist) hat mit Hiob kein Mitleid und äussert sich kritisch über dessen Glauben. Soll der Leser begreifen, dass in Hinblick auf die Zukunft der unsympatische Elija recht hat und nicht der phanatische Baldad? Die zahlreiche Rezensionen zu diesem Roman haben über vielfältige Themen reflektiert (über die Beziehung zwischen Individuum und Masse, zwischen dem Schriftsteller und der Macht), sehr wenig aber über die inhärenten aktuellen politischen Themen des Buches: die Entstehung des Nationalbewusstseins, das Problem der Emigration, die Rolle des Glaubens und das Projekt eines vereinten Europas.

"Kraljeva hči" (1997, Die Königstochter), ein Roman von Igor Škamperle – der Autor ist ebenso wie Rupel ein Soziologe und Universitätsdozent und ebenso wie Rebula von Triest –, kann nur zu einem Viertel unter das Genre des historischen Romans gerechnet werden, doch das reicht für seine Erkennung. Von der Literaturkritik wurde er als Eruditenprosa, philosophischer Roman und erotische Geschichte bezeichnet. Der Held ist auch hier ein Historiker und Universitätsprofessor. Sein Forschungsgegenstand sind die Alchimie und die Freimaurerei im 16. und 17. Jahrhundert. Die Belesenheit des Autors zeigt sich in einer Menge fremdsprachlicher Zitate (in Latein, Französisch, Deutsch, Tschechisch, Englisch) und erinnert an die Manier des Professorenromans von Alojz Rebula oder Ivan Pregelj. Die Zitate steigern die Stimmung der europäischen sprachlichen und kulturellen Vielfalt (und nebenbei weist sich der Autor mit seinen fremdsprachlichen Kompetenzen aus).

Die Geschichte. Der Triester Professor Ernest Fabian erhält eine mysteriöse Einladung zur Teilnahme an einer Freimaurersammlung in Prag . Die Loge möchte die neue Gestaltung Europas beeinflussen und Ernest soll in diesem Projekt die slavischen und slovenischen Interesse vertreten. Im Zug verliebt er sich in die Landsmännin Katka Živan, die in Prag mit einem Deutschen namens Mathias Breital, verheiratet ist. Ernest nimmt am Treffen in der Loge teil und ruiniert das symbolische Kartenspiel, in dem die Deutschen das Schicksal Europas bestimmen, und tritt zurück in die Privatsphäre: er hat sich für die Liebe zu Katka entschieden.

Parallel verläuft die historische Erzählung über Michael Meier, Alchimist am Hof von Kaiser Rudolf II. (1552–1612). Der böhmische Kaiser, ein überzeugte Katholik, bestätigte die freie Glaubenswahl im Jahre 1599, die er allerdings schon 1609 zurücknehmen musste und starb bald darauf, geisteskrank. Sein Nachfolger Matthias von Habsburg bricht mit dem Projekt Rudolfs ab, die Welt mit alchimistischen Mitteln verbessern zu wollen. Folge war der 30-jährige Krieg. Ernest identifiziert sich mit dem Alchimisten so stark, dass er sogar seine Schmerzen fühlt. So wie bei Rupel endet auch hier traurig ein alternatives und für die Slovenen (und für die Slaven) aussichtsreiches politisches Projekt. Ernest stimmt im Prinzip mit dem Konzept des regional und katholisch dominierten Mitteleuropa überein. Es soll das grosstädtische, englisch-französische Westeuropa mit der germano-slavischen Volkskultur ausbalancieren und korrigieren. Doch er vertraut den Deutschen nicht und setzt mehr auf die Italiener. Der wahren Erlösungskraft ist er aber nicht ganz bewusst. Die Zukunft gehört dem heute politisch und ökonomisch schwachen und gelähmten Russland. Dieser Gedanke ist ebenso phantastisch wie die Erlösungspläne von Rudolf II. Der Autor hat die Erlösung in dem Romantitel "Die Königstochter" versteckt. Die einzige Tochter im Roman ist Katka, eine Slovenin aus Ljubljana, die sich aber als Tochter eines Russen erweist, der im Afghanistankrieg verschwunden ist. Die daraus folgende Spekulation wäre, dass das "europäisierte" Russland der wahre Erbe von Rudolfs edlen politischen Phantasien ist!

Škamperle drückt die politischen Träumereien der Slovenen, der das Ideal eines asymmetrischen internationalen Austausches impliziert, mit folgenden Worten aus: "Mi smo odhajali v svet, svet pa do nas ni imel dostopa. Kakšno razkošje!" (Škamperle 1997, 249, Wir sind in die Welt gegangen, die Welt aber hatte kein Zutritt zu uns. Was für eine Herrlichkeit!). Damit es auch weiter so bleibt, verzichtet sein Held Ernest Fabian darauf, eine verantwortliche politische Rolle zu übernehmen und entscheidet sich statt dessen für die Liebe. Ob das auch in der Zukunft zur positiven Bilanz führen wird, das wissen wir heute noch nicht. In jedem Fall liegt uns ein lesbarer, durch populären Liebes- und Abenteuermotiven und einer kafkaesken Atmosphäre geprägter Text vor, der auch ohne ideologische interpretative Spekulationen seitens der Literaturhistoriker gut funktionieren kann.

Slovenische historische Romane nach dem zweiten Weltkrieg stellen eine Welt dar, die sich durch eine nationale und kulturelle Vielfalt auszeichnet. Man kann zwar nicht über den expliziten Einsatz für nationale Interessen sprechen, auf der metaphorischen Ebene jedoch kann der Rezipient sein historisches und aktuelles nationale Schicksal doch herauslesen und über ihre verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten reflektieren. Es ist kein Zufall, dass unter den erwähnten Autoren gleich zwei von der anderen Seite der Grenze Sloveniens, aus Triest, kommen und dass alle die slovenische Westgrenze thematisieren. Die Lage am nationalen Rand stimmuliert die Schriftsteller offensichtlich zu einer stärkeren Reflexion über die Nation und zur stärkeren Nationalbestimmung.

Der politische Rahmen Sloveniens nach dem 2. Weltkrieg kann als Staatssozialismus bezeichnet werden oder auch nicht. Es ist aber evident, dass er keinen eindeutigen Einfluss auf den historischen Roman ausgeübt hat. Die Modelle von der Welt und die politischen Lösungen, die der historische Roman konstruiert hat, sind vielfältig und es hat sich noch nicht erwiesen, welches von diesen Konzepten und Rezepten die meisten Perspektiven öffnen wird.

Fussnoten

[1] Die Texte für meine Untersuchung habe ich aus der Datenbank des slovenischen historischen Roman ausgewählt, auf im Internet unter http://www.ff.uni-lj.si/slovjez/mh/zgrom/ zur Verfügung steht. In dem Datenfeld ideja (Botschaft) haben diese Romane die Stichworte nation*, volk* oder sloven* enthalten. Von 1945 bis heute sind 130 Texte entstanden.

[2] Mir stehen leider keine Daten anderer Nationalliteraturen als Vergleichsgrundlage zur Verfügung; für die slovenische Literatur kann doch zumindest festgestellt werden, dass diese im grossen Maße auch nach 1991, als die Nation formell die Selbständigkeit erzielte, ihre nationale Relevanz beibehalten hat.

Literaturverzeichnis

KAVČIČ, V. 1976. Pustota. Ljubljana.

KAVČIČ, V. 1996. Somrak. Ljubljana.

REBULA, A. 1968. V sibilinem vetru: Roman. Ljubljana.

RUPEL, D. 1983. Maks: Roman o maksizmu ali Boj med večino in veličino. Koper.

ŠKAMPERLE, I. 1997. Kraljeva hči: Roman. Trst.


Predstavljeno na simpoziju Literatur- und Geschichtskultur im Staatssozialismus: Jugoslavien und Bulgarien 9.– Wittenberg, 13. Januar 2005. Postavil na http://www.ijs.si/lit/wittenberg.html Miran Hladnik 11. julija 2005, namenjeno objavi v zborniku.
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